Kammerflimmern

von Klaus Grill

31.5.`18

Impulse in der IHK Hamburg

Vertreter der beteiligten Akteure sollten auf der Bühne der Handelskammer Hamburg, einen kurzen "Impuls" geben - so eine Art Blitz-Vortrag aus ihrer Perspektive zum Thema Moia. Vorsorglich hatte die Handelskammer Titel und Themen dieser Beiträge vorher formuliert und verteilt .
Der Verbandsvertreter sollte über die Vertretung eines Verbandes sprechen, Moia über Crafter, die Behördenvertreter über deren Genehmigung und dann waren da noch zwei freie Radikale von der Straße, zwei Taxi-Unternehmer, die über Social Media und Demos sprechen sollten.
Christian Brüggman von Taxen Union Hamburg Hansa EV war als erster dran und hielt den denkbar professionellsten Vortrag aller denkbaren Zeiten. Er trug sogar Kritik an Moia vor.

Christian Brüggmann (am Mikrofon) trägt Kritik an Moia vor. Daneben R. Henrich und noch einer.

Plan B

Dann aber legte sich Herr Brüggmann von der Taxen-Union, gedanklich in eine scharfe Kurve und stellte eine Zukunft in Aussicht, in der man mit Moia einträchtig, nebeneinander und marktbegleitend exisitieren könne. Dies setze jedoch einen "Plan B" voraus, den das Taxigewerbe liefern müsse. Die Initiatoren "Der Klage" seien dafür die jedoch der falsche Ansprechpartner. Also wir.
Wer der richtige Ansprechpartner sei, um mit Moia Freundschaft zu schließen, ließ er vielsagend offen, ebenso die Frage wie so ein "Plan B" aussehen könne und ob er selbst einen solchen "Plan B" habe oder daran arbeite.
Unglücklicherweise unterlief Herrn Brüggmann, im frei vorgetragenen Teil seiner Rede, ein kleiner sprachlicher Patzer, der für einige irritierte Gesichter sorgte. Seine politisch höchst unkorrekte Bemerkung war jedoch bald wieder vergessen.



Mythen in Tüten

Ole Harms, CEO von Moia, war auf irgendeinem Auslandsflug aufgehalten worden und konnte nicht kommen.
Boah.
Robert Henrich erklärte, Moia betreibe kein Dumping, Moia wolle eine Versorgungslücke schließen, die Auflagen der Behörde für den "Testbetrieb" seien "hart", die Menschen werden keine Autos mehr kaufen, wenn es bald Moia gibt, Moia gibt es, weil die Menschen bald keine Autos mehr kaufen, die Welt sei eine Scheibe und so weiter.
Herr Henrich sprach immer wieder von "Urbanen Mythen" und meinte damit die Kritik, die Vorbehalte und die Ängste, die Moia in der Taxibranche auslöst.


Stimmung

Ivica Krijan, Initiator der Klage und Betreiber dieser Website, war als nächster dran. Erwartungsgemäß hielt er sich nicht an die "Wir-fassen-uns-alle-an-den-Händen-und-sitzen-gemeinsam-im-Kreis-bis-wir-uns-lieb-haben-Vorgabe" des Einladungstextes und ging seinen eigenen Weg. Er nannte die Versprechen und Segnungen, die laut Moia-Propaganda die Welt verändern würden - Lügen.
Er hatte eine ganze Liste davon und schlug sie - seinen Hangover tapfer ignorierend - eine nach der anderen, den Moia Leuten um die Ohren. Preislüge, Umweltlüge, Innovationslüge und in Anlehnung an den "fairen Dialog" des Einladungstextes, nannte Herr Krijan Moia "nicht fair".
Was zu Irritation seitens des Moderators - Herrn Troeder - führte, denn der hatte wohl wirklich angenommen, Ivica Krijan würde über "Social Media" reden.
Nachdem alle darüber hinweg gekommen waren, dass es jetzt Stimmung in der Bude geben würde, gab es - Stimmung in der Bude!
Herr Henrich von Moia verzog ein paar Mal das Gesicht, was nicht verwundert, angesichts des Gegenwinds, den er nun bekam.

Dann war Orhan Tasbilek an der Reihe und legte einen ebenso lässigen, wie frechen Start hin. Eine Bemerkung am Anfang seiner Rede, die in etwa lautete, dass die Moia-Leute nicht dumm seien, nur leider "Pech beim denken" hätten, war sein Eisbrecher, der für einige schockierte Reaktionen sorgte.
Damit war ihm die Aufmerksamkeit der Runde sicher, was auch der Zweck der Bemerkung war, was er dann nutzte um - zack - auf den Punkt zu kommen: Bei Moia geht es nicht um Umwelt- oder Verkehrspolitik, bei Moia geht es um Industriepolitik.
Die Rettung der Umwelt, die Rettung des Verkehrs, die Rettung der "Mobilität" sei in Wahrheit nicht das Thema, sondern, dass ein Konzern um seine Abssatzzahlen bangt. Die Genehmigung von Moia durch die hamburger Behörde, sei eine Maßnahme zur Rettung von VW. Die Vernichtung des Taxigewerbes ist der Preis dafür.
Ivica und Orhan waren wie zwei Kirschen auf einem Kartoffelbrei, zu dem die Runde harmonisch verrührt werden sollte, um den offensichtlichen Konflikt, den Moias feindliche Übernahme des Taxigewerbes bedeutet, für Opfer und Täter gleichermaßen erträglicher zu machen.
Im Falle von Orhan und Ivica gelang es nicht, diesen Konflikt zu verschleiern, ebenso nicht bei vielen Taxifahrern im Publikum. Ein aufgebrachter Zwischenrufer mit einem Ampelmännchen-T-Shirt nannte Moia eine "Invasion".


Am Mikrofon

Im Anschluss waren Fragen zugelassen und erwartungsgemäß gab es viele kritische Wortmeldungen. Clemens Grün (HTV) kam von der Seitenlinie aus zu Wort und untermauerte das Argument der Industriepolitik von Tasbilek mit dem kürzlich gefallenen Statement des Staatsrats Rieckhof, der am Rande der Sitzung des Verkehrsausschusses, die Genehmigung von Moia mit eben genau diesen industriepolitischen Überlegungen begründet hatte. Tenor: Die deutsche Autoindustrie ist in Not und wir helfen.
Clemens machte dadurch klar, dass Orhans Argument daher keine "urbane Mythe" ist, sondern Realität.
Kleine Anmerkung am Rande: Auch diese Veranstaltung machte deutlich, dass freie Rede vor Publikum schwerer ist, als es aussieht. Auch dem Zwischenrufer mit dem Ampelmännchen-T-Shirt gelang es nicht fehlerfrei zwischenzurufen, aber wer als hamburger Taxifahrer mit einem berliner Ampelmännchen auf dem T-Shirt in die Handelskammer geht, hat vielleicht sowieso andere Probleme.
Clemens Grün machte seine Sache gewohnt gut. Inhaltlich fundiert, pointiert und sprachlich makelos.


Show Me The Money

Immer wieder ging es ums Geld. Der Ampelmännchenzwischenrufer brachte die 300 Moi - hoppla - Mio € ins Spiel, die VW für Moia allein in Hamburg bereit gestellt hat, was Herr Henrich abstritt.
Clemens Grün bestätigte die ihm aus Politiker-Kreisen genannte Summe von 4 Jahre à 50 Mio Euro, Herr Henrich stritt ab.
Ivica Krijan warf Moia Dumping-Preise vor, was Herr Henrich leugnete. Ivica Krijan forderte Herrn Henrich auf Moias Preise zu nennen, was dieser ablehnte.
Krijan erklärte, dass Moia nicht nennenswert unter dem Taxitarif betrieben werden kann, wenn man wenigstens eine schwarze Null oder gar Gewinne machen wolle und erklärte lachend, er werde die Klage zurückziehen, wenn Herr Henrich ihm vorrechne, wie man mit 3,70 € pro Person einen solchen Fahrdienst gewinnbringend betreiben könne (ohne Tricks).
Herr Henrich wollte nicht.


Die Behörde

Unbedingt erwähnenswert sind die Vorträge der Behördenmitarbeiter Ritter und Huber. Sie schilderten die politischen und gewerblichen Überlegungen, so wie die juristischen Hintergründe, die das Genehmigungsverfahren begleitet hatten.
Herr Ritter erklärte, dass das PBFG kein Taxischutzgesetz sei, sondern ein Verbaucherschutzgesetz (hört, hört!). Er führte aus, dass das Taxigewerbe traditionsgemäß auch in den Genuß einiger Vorteile und Schutzmechanismen durch das Gesetz käme - z.B. der feste Tarif, die Abgrenzung zum Mietwagen, dass Taxis öffentlichen Grund, nämlich die Taxistände, kostenlos nutzen dürften und dass die Behörde immer ein offenes Haus für Taxifahrer gewesen sei. Ihm sei kein anderes Gewerbe bekannt, bei dem das so wäre.
Abschliessend muss erwähnt werden, dass beide, Huber und Ritter, immer wieder ihre Sympathie für das Taxigewerbe und die Taxifahrer äusserten, obwohl diese es ihnen nicht immer leicht machten. Beide äusserten sich zufrieden, wenn nicht glücklich, für dieses bunte Gewerbe zuständig zu sein.
Herr Huber hielt seinen "Impuls" als letzter und war der einzige, der aufstand, um zum Publikum zu sprechen. Er äusserte sich in einer Weise, die so etwas wie Stolz und Zufriedenheit ausdrückte, im Hinblick auf das, was man gemeinsam im hamburger Taxigewerbe erreicht habe. Er betonte, den Unterschied in der Qualität einer Taxifahrt in Hamburg und in anderen Städten.
Er äusserte sich kritisch in Richtung Moia, äusserte Skepsis gegenüber den Versprechungen und Prognosen, was die Reduzierung der PKW durch einen Fahrdienst betrifft und prophezeite dem Taxigewerbe ein langes Leben.
Amen.


PS:
War gut. Wertvolle Veranstaltung, gekonnt moderiert von Herrn Troeder, schönes Gebäude, auch von innen.


Errata:
In einer frührern Fassung stand, Clemens Grün habe die Summe von 300 Millionen Euro bestätigt. Tatsächlich bestätigte er die Summe, die ihm bestätigt worden war - eben 4 x 50 Mio €.

travis bickle