Volksuber

von Klaus Grill

8.3.`18

Phantasielogo

Was ist Moia?

Sie nennen es „Mobilitätskonzept“, „Fahrdienstleistung“, „Innovation“. Aber in Wirklichkeit wollen sie Taxifahrten verkaufen. Als Sammeltaxi, aber auch von Tür zu Tür. Raffiniert gesteuert über eine App. Moia ist wie Uber, nur übler. So eine Art Volksuber, denn dahinter steckt VW.
Die Fa. Moia ist eine Tochterfirma des VW Konzerns. Und weil das mit dem Image von VW gerade nicht so gut läuft, bringen sie jedes Buzzword, das man heutzutage bringen muss, wenn man verkaufen will: "Sharing", "Umwelt", Social".


Nur eine Testphase

Sie nennen es „Testphase“, aber 4 Jahre lang will Moia eine "neue Verkehrsart" ausprobieren, nämlich wie man Kunden zuerst für umsonst, dann zu einem Dumping-Preis transportiert.
Dafür hat der VW-Konzern 200.000.000 € bereit gestellt, in Worten 200 Millionen Euro. Im Herbst gehts los. Erst 20, dann 100, dann sollen es 1.000 VW Busse sein, natürlich elektrisch. Und das nur für Hamburg.


Es geht so

Über eine App bestellt man eine Fahrt, bekommt eine „virtuelle Bushaltestelle“ angezeigt, zu der man hingeht, um dann in einen VW-Bus zu steigen und zwar idealerweise „just in time“. Dort sitzen ggf. schon andere Fahrgäste, man steigt wieder aus wenn die „virtuelle Bushaltestelle“ in der Nähe seines Ziels erreicht ist. Gegen einen Aufpreis kann man sich aber auch exklusiv von Tür zu Tür fahren lassen - ganz wie bei einem echten Taxi.
Cool, oder? Fahren die Taxifahrer halt für Moia, oder? In VWs Antrag auf Genehmigung bei der Hansestadt Hamburg erfüllen Menschen als Fahrer jedoch nur einen vorläufigen Zweck, ähnlich wie die Affen in dem Experiment. Später sollen die VW-Busse autonom fahren. Autonomes Fahren ist schließlich immer noch die heiße Scheiße des Jahrtausends.


Gesetze, welche Gesetze?

Natürlich läuft selten alles nach Plan und es gibt auch ein paar störende Gesetze.
Verkehrsrecht, Wettbewerbsrecht, Mindestlohn, STVO, PBefG, BOKraft. Welche Gesetze gelten jetzt für eine "neue Verkehrsart"? Alle? Keine? Neue? Wie immer ist das eine Frage von wirtschaftlichen Interessen und die Politik ist zuständig für Ausgleich zu sorgen - theoretisch.

Uber hat es mit der Brechstange gegen die Politik versucht und ist in Deutschland gescheitert. VW jedoch versucht es durch die Hintertür. Im Antrag zur Genehmigung ihres hamburger Vorhabens gibt sich VW/ Moia brav und verspricht sich an alle geltenden Gesetze und Vorschriften zu halten.
Wie glaubhaft ein Versprechen des VW-Konzerns im Zusammenhang mit Gesetzen ist, lässt sich gerade ganz gut einschätzen - Stichwort: Dieselabgaswerte.
Gleichzeitig versuchen die Lobbyisten von VW hinter den Kulissen die wichtigsten gesetzlichen Hindernisse ausser Kraft zu setzen, z.B. die Ortskundeprüfung zum P-Schein, die Rückkehrpflicht für Mietwagen. Und das sind nur die Sachen, von denen man weiß. VW hat jedoch genug Anwälte und vor allem politische Kontakte, um aus geltendem Recht eine gelbe Tonne zu machen.
Der Dieselskandal ist schließlich auch in Amerika aufgeflogen, nicht in Deutschland.


Die Absicht einen Gewinn zu erzielen

Ist nicht erkennbar. Wer 200 Millionen Euro als Spielgeld investiert um kostenlos oder später für 5 Cent pro Nase/Km Leute zu kutschieren, hat entweder einen an der Marmel oder einen fiesen Plan.
Wer für umme liefert, verdient - nichts. Wer unter den Betriebskosten arbeitet, macht minus - oder? Im Steuerrecht nennt man sowas „Liebhaberei“. Versuch mal jemand seinem Finanzamt zu erklären, man betreibe einen Versandhandel von Holz-Schnitz-Arbeiten aus dem Harz nur aus Liebhaberei und nicht um damit Geld zu verdienen. Das wird nicht leicht.
Car2Go und DriveNow fusionieren gerade, weil sich ihr „innovatives Mobilitätskonzept“ immer noch nicht rechnet. Zu hohe Investitionen, Wartungskosten, zu niedrige Preise. Mytaxi könnte möglicherweise auch immer noch Verluste machen, denn Jubelbotschaften über Gewinne blieben bisher aus. Und Uber auch 3 Mrd Dollar Verlust in 2016 .
Bei VWs „innovativem Mobilitätskonzept“ sieht es noch viel krasser aus, aber offenbar gehört auch ein innovatives Einnahmekonzept dazu. Über Bildschirme im Auto kann Werbung eingespielt werden und "Im VW-Testbetrieb gehörte sogar Supermarktwerbung dazu: Wer bereit war, bei der nächsten Edeka-Filiale anzuhalten, erhielt die Fahrt umsonst", berichtet der Spiegel


Wer bezahlt?

200 Mio. um unter den Betriebskosten Leute zu kutschieren - im Ernst, das ist der Plan? Um sich mit Werbung in den Kopfstützen zu finanzieren?
Ganz sicher nicht. Irgendwer muss immer den Preis bezahlen - und zwar den wirklichen Preis. Die Frage "Wer bezahlt?" haben Google, Facebook und zuletzt sogar Twitter für sich zwar erfolgreich mit "Jemand anders" beantwortet, aber zahlosen gescheiterten Start-ups gelang das nicht.
Die Kreativität der BWLer von VW muss also einiges leisten, wenn es darum geht, jemanden zu finden, der anstelle der Kunden den Fahrpreis bezahlt und ich bin sicher, sie haben schon jede Menge tolle Ideen. Das mit der Edeka-Filiale gibt einen interessanten Hinweis, aber möglich wäre natürlich auch: Der Staat.


Undenkbar?

Dass der Staat einen Konzern aus Steuergeld bezahlt, damit er statt z.B. des HVV den ÖPVN organisiert - kann man sich das vorstellen?
Komisch, die meisten Leute haben kein Problem damit sich vorzustellen, dass Morgen schon Autos autonom fahren werden, ganz ohne Menschen, ohne Bus-, LKW- oder Taxifahrer hinter dem Steuer. Aber dass ein Konzern statt eines staatlichen Verkehrsbetriebs den ÖPVN übernimmt, da versagt die Phantasie?
Es gibt aber bereits einen Hinweis, eine Vereinbarung zwischen der Hansestadt Hamburg und dem VW-Konzern über eine Zusammenarbeit im Mobilitätsbereich. Das klingt so recht harmlos, wie "Public/Private Partnernership", bedeutet in der Realität aber nichts anderes als den Rückzug des Staates aus Bereichen für die er eigentlich zuständig ist.


Die Preislüge

Erst für umsonst, dann für 5 Cent pro Nase/ Km will VW seine Mobilitätslösung anbieten, aber später sollen die Preise dafür "dynamisch" werden. Dynamisch klingt auch gut, so nach Bewegung und Spaß. Es bedeutet jedoch, dass die Fahrpreise abhängig von Angebot und Nachfrage, Uhrzeit, Wetter und Mondphase aufgerufen werden. Am Wochenende zur Partyzeit, an Sylvester, zum Flieger am Morgen - da gehts dynamisch nach oben.
Man nennt es "Surge-Pricing und kennt es von Tankstellen, Auktionen und Uber bei Katastrophen. Und wenn am Ende der 4 Jahre dauernden "Testphase" das "Arschloch namens Taxi" erstmal ausgerottet ist, dann gibts für die Preise kein Halten mehr. Na, fällt der Groschen?
Kleiner Tipp: Hotelpreise zur Feriensaison oder der Schlüsselnotdienst, wenn man sich ausgesperrt hat.


Frau Duck

Ok, da ist also Oma Duck mit ihrem Rollator. Frau Duck muss zur Fußpflege, sie zückt also ihr iPhone X und bestellt per VW-App… nee, oder? Oma Duck braucht ein Taxi! Da kann sie den Kutscher anmotzen, der sie für 7,20 € zur Behandlung fährt und ihr dafür auch gleich noch beim Rollator und den Aldi-Tüten behilflich ist. Dauere es solange es eben dauert.
So etwas ist keine lukrative Tour, genau genommen ist es ein Minusgeschäft und Taxis können die Oma nur deshalb zum Onkel Doktor fahren, weil es eben auch lukrative Touren gibt, z.B. Leistungsträger für `nen 30ger zum Flieger, Bildungsbürger zur Elphi, Eppendorfer zur Elbe. Mischkalkulation nennt man das.


Alle wollen den lukrativen Teil

Uber, Car2Go, DriveNow, MyTaxi und VW jetzt auch. Den Teil des Geschäfts, der schnell und einfach zu bewältigen ist. Am besten automatisiert, ohne schwierige Kundenkontakte und wenn dann gegen Aufpreis. Knallhart kalkuliert. Nix da Mischdingsbums, nix da Oma Duck.
Sie wollen den lukrativen Teil, aber nicht um sofort damit Geld zu verdienen. Sie wollen ihn, um einen Markt zu erobern, der jetzt noch Zukunftsmusik ist, der aber der Expertise der Auguren zufolge seit Jahren Morgen schon Wirklichkeit ist.


Brainstorming

In der IHK Hamburg fand kürzlich ein Workshop statt, in dessen Verlauf ein Brainstorming zur Zukunft des Taxigewerbes stattfand. Die Phantasie des VW/ Moia-Mannes war es, dass die Taxifahrer ihr Geschäft an VW abtreten und sich irgendwo anders eine Nische suchen. Stichwort: Rollator. Oder Getränke in die Wohnung schleppen oder Fernseher, Kram vom Flohmarkt oder irgendwas, ist doch egal. Eben alles, was Longtail ist. Einfach das, was nicht angeboten wird, weil man davon nicht leben kann.


Die Politik

Aber es gibt ja noch die Politik, die Regierung. In Hamburg regiert die SPD, die als Partei der Kleinen Leute zu trauriger Berühmtheit gelangt ist. Unser geliebter Bürgermeister ist Olaf Scholz, einer von Schröders letzten Schurken, der wg. seines Managements des G20-Gipfels eine gute Presse für dufte Innovationen so gut gebrauchen kann, wie ein Kutscher eine Altersvorsorge. Für ihn sieht die Sache so aus:

Wäre es vorstellbar, dass ein Mann wie Olaf Scholz - Mr. Busbeschleunigungsspur, Mr. G20-ist-wie-Hafengeburtstag, Mr. Bundeskanzler in Spe - dass so ein Mann nicht zugreift, wenn der VW-Konzern ihm ein Angebot macht, dass er nicht ablehnen kann?
Nein. Olaf Scholz würde alles dafür tun, dass die Sache läuft. Aber jetzt wird er erstmal Finanzminister. Und später - mal sehen.

travis bickle