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Gastbeitrag

Der Text von Yvonne Schleicher und Martin Laube wurde überraschend von der Website der Taxiinnung Berlin entfernt, die ganze Domain wurde umgleitet und so brauchte der Artikel plötzlich einen Unterschlupf.

Kollaborateure im Verbandskostüm

Das Coming-Out des "Bundesverbandes" fand eigentlich spätestens am 19. Februar 20 statt:

Michael Oppermann (BVTM)

„Es handelt sich nicht um eine Kundgebung des Verbands oder der im Bundesverband organisierten Verbände, da wir derzeit in einem intensiven politischen Dialog zur künftigen Marktordnung stehen und diesen konstruktiv weiterführen wollen...“

So begründete der Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e.V. (BVTM), Michael Oppermann, damals die Nichtteilnahme des BVTM an der Berliner Taxidemonstration vor dem Roten Rathaus, die sich für die Umsetzung der bestehenden Gesetze stark machte.

Drei  Monate später, am 15. Mai, geht ein Schreiben des BVTM an die Deutsche Presse-Agentur und wir erfahren, welche Marktordnung sich über diese Zeit in "Verhandlung“ befand:Seite an Seite mit Clevershuttle, Moia und Viavan zeichnet der Geschäftsführer des BVTM einen als „vereint“ bezeichneten Appell. Hier wird darauf gedrungen, noch in dieser Legislaturperiode eine Änderung des PBefG derart herbeizuführen, dass "Poolingverkehre" "Rechtssicherheit" erhalten sollen.

Die in Abkehr von den Interessen des Taxigewerbes als notwendig propagierte "Planungssicherheit" wird perfiderweise auch mit der Lage, die durch die Coronapandemie entstanden ist, begründet.

Im Klartext bedeutete Planungssicherheit im Sinne des Appells wohl eher die künftige Möglichkeit für Deutsche Bahn, VW, Daimler und andere interessierte Konzerne (Uber?), nach bereits beantragten Zahlen zu urteilen, tausende Fahrzeuge zur Personenbeförderung auf die Straße zu bringen, Hauptsache es heißt "Pooling". Zwar wird beschwichtigend erwähnt, es sollen nur solche Poolingverkehre zugelassen werden, die nachweislich eine verkehrsentlastende Wirkung hätten und eine nicht näher bezeichnete "Poolingquote" solle dafür sorgen, dieses sicherzustellen. Dass die Erprobungsverkehre, deren Anbieter an diesem Appell beteiligt sind, diese verkehrsentlastende Wirkung tatsächlich gar nicht haben (Beispiel Moia) wird auf diese Weise überspielt.

Das Leckerli, dass den Taxiunternehmern die Sache schmackhaft machen soll, ist die "vereinte" Forderung einer Karenzzeit für Mietwagenbestellungen, der Zeitumfang wird nicht näher benannt. Der wäre aber wichtig, damit Uber, Freenow und eventuellen Nachfolgern das ohnehin schon illegale Geschäft schwerer gemacht würde. Effektiver wäre wohl, abgesehen von einer funktionierenden Exekutive, die taiwanesische Lösung, die vorsieht, dass Mietwagen ihre Dienste nur zu Stunden- oder Tagessätzen anbieten dürfen.

En passant wird gefordert, den Kommunen zusätzliche "Werkzeuge" an die Hand zu geben, beispielsweise einen "Tarifkorridor". Diese Forderung kennen wir zum Beispiel schon von mytaxi und Uber. So wird nicht nur "surgepricing" möglich, sondern auch ein Verdrängungswettbewerb.

Wer glaubt, dass die Konzerne einfach nur gerne ganz edelmütig "Pooling" anbieten wollen, weil sie einen Beitrag zur sogenannten "Verkehrswende" leisten wollen, der sollte sich klar machen, dass dieser Appell, genau wie die an das Verkehrsministerium gelieferten Textbausteine, die letztlich zum "Eckpunktepapier" geführt hatten, keinen anderen Zweck hat, als den Fuß in der Tür zu behalten, die es ihnen möglich macht, den Umsatz des Personenbeförderungsgewerbes untereinander aufzuteilen und dies gerne auch vorerst mit staatlichen Subventionen, denn von Eigenwirtschaftlichkeit sind alle diese Unternehmungen sehr weit entfernt.

Alles in allem wäre dieser "Appell" zur Änderung des PBefG also wirklich gar nichts Neues, ein weiteres Jonglieren mit Behauptungen und Worthülsen - wäre nicht der Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. mit an Bord gegangen.Dieser Verband hat somit den Beweis geführt, dass er de facto die Interessen des Taxigewerbes nicht vertritt, sei es aus Kalkül oder aus Kurzsichtigkeit, das spielt keine Rolle.

Eine "Verkehrswende" im Sinne von "weniger Autoverkehr" kann wahrscheinlich auch mit dem bestehenden PBefG funktionieren (es gibt bereits viele regionale Lösungen).Was offensichtlich, regional unterschiedlich, wenig bis überhaupt nicht funktioniert, ist das Umsetzen bestehender Gesetze, so dass die Akteure der Versuche unter dem Deckmantel von Innovation und Digitalisierung Profite und Renditen zu generieren, sich verhalten, als wäre jedes nur erdenkliche Gesetz bereits in ihrem Sinne geändert worden.

Der § 2 (7) PBefG sieht vor, dass neue Verkehrsarten erprobt werden können. Diese Erprobung muss wohl zwingend erst einmal in ausreichendem Maße stattfinden und öffentlich transparent ausgewertet werden - die vorwegnehmende Behauptung positiver Ergebnisse oder Visionierung vager Steuerungsvorschläge ist keine ausreichende Grundlage für eine Gesetzesänderung! Jedenfalls nicht im Zeitalter der Digitalisierung.

Die Frage, wie es dazu hat kommen können, dass ausgerechnet der Bundesverband sich gemeinsam mit den Totengräbern des Taxigewerbes für eine zügige Verkrüppelung des PbefG einsetzt und damit fundamental dem Überlebensinteresse des Taxigewerbes zuwiderhandelt, läßt sich zum einen mit seiner Abhängigkeitsstruktur von der Industrie beantworten und zum anderen mit dem tunnelblickartigen Verständnis von Interessenvertretungspolitik seines Führungspersonals. Heute müssen wir leider konstatieren, dass bereits die bundesweite Protestaktion, die mit großer Solidarität durch das Taxigewerbe unterstützt wurde, bloß eine Etappe, eine Theaterveranstaltung gewesen sein dürfte, wie wir hier bereits umgehend zur Sprache gebracht hatten.

Es dürfte allen aufgefallen sein, dass der von Michael Müller gebetsmühlenartig hervorgehobene Begriff „Rückkehrpflicht“, auf den er in Bezug auf die zahlreicheren Rechtsverstöße durch konzerngesteuerte Flottenflutungen allein hätte gar nicht zurückzugreifen brauchen, in der Argumentationslinie dieses Konglomerates von „Appell“ in den Hintergrund gestellt wurde.

Wie dem auch sei: Durch das Lancieren dieses, mit bei ihm angeschlossenen Vertretern des Taxigewerbes nicht abgesprochenen Appells an die Presse hat der BVTM sein Restvertrauen verspielt. Es ist jetzt an den Landesverbänden und Gewerbeorganisationen, aus diesem gekaperten e.V. auszutreten. Schnell muß ein Interimsrat gegründet werden, der möglichst zeitnah Vertretern aus der Politik und der Presse als demokratisch gewählte Vertretung des Taxigewerbes diejenigen Ansagen machen kann, die das vitale Interesse des Taxigewerbes betreffen. Optionen, die gedanklich die Mitwirkung des BVTM mit einbeziehen, sind lebensgefährlich!  

       
Stacheldraht