100 Jahre sicher

von Wolfgang Schild

16.10.`18


Taxi-Anbieter haben in Deutschland ein durch den Gesetzgeber geschütztes Monopol. Das ist gut so und hat dafür gesorgt, dass in den letzten 100 Jahren alle Schichten der Bevölkerung professionell und mit wenig zeitlichem Verzug befördert wurden und werden. Der Service der Taxifahrer ist deutlich besser als deren Ruf. Klar gibt es auch in der Taxibranche Schwarze Schafe - wie überall - übrigens.

Die gibt es unter den Ärzten, bei der Polizei in der Wirtschaft und völlig neu: In der Politik. Und in einigen Regionen ist gesetzkonformes Handeln nicht erkennbar. Das überrascht nicht sonderlich, denn wo nicht kontrolliert wird, sprießt der Wildwuchs, da wird gelogen und betrogen. Hamburg hat dem Wildwuchs schon vor Jahren durch geschickte Plausibilitätsprüfungen und durch den (illegalen) Zwang ein Fiskaltaxameter einzusetzen, weitestgehend den Riegel vorgeschoben. Wer heute in Hamburg seine Konzession(en) verlängern will, muss nachweisen, dass seine eigenen Umsatzangaben nicht im Widerspruch zur den Aufzeichnungen des Fiskaltaxameters stehen.

Die MyTaxi App wurde geboren aus dem Wunsch, am Wochenende gemeinsam aus Bergedorf zum Kietz zu fahren. Erst bei Umsetzen dieser Idee merkten die Jungs, dass diese App viel besser für das Taxigewerbe geeignet ist. Nach vielen Meetings mit und Beiträgen von Taxifahrern, wurde daraus nach und nach ein rundes Paket, das von Taxifahrern und Kunden gleichermaßen geschätzt wurde.

Erste Risse bekam das Ansehen von mT als sie versuchten 30% Provision abzugreifen. Sie ruderten zurück, verkauften den Laden und dienen jetzt dem Brutalokapitalismus zur Gewinnmaximierung.

Der jüngste Coup von mT, die kürzlich zu freenow umfirmierten, war, mit Hilfe von leicht zu beeinflussenden Taxiunternehmern, einen nicht kostendeckenden Sonder-Taxi-Tarif bei der Hamburger Behörde zu beantragen und: Genehmigt zu bekommen!
Alles natürlich zum Wohle der Taxiunternehmer, einfache Propaganda-Rechnung, niedriger Preis = mehr Fahrten. Was sie zu erwähnen vergaßen war, dass niedrige Preise auch niedrigen Umsatz und somit weniger Einnahmen bringen.
Die Münchener haben deshalb medienwirksam ihre Verträge gekündigt.

Das Taxigewerbe ist eines der innovativsten Gewerbe der Welt. Seit den 2000er Jahren sind fast nur noch neue Wagen im Einsatz, nirgends sonst gibt es soviel Großraumwagen mit Platz für ab 5 Fahrgästen, nirgends soviel E-Karren und Hybrid-Antriebe.

Seit Jahrzehnten gibt es die Bestellung auf Knopfdruck. Eine Firma drückt eben diesen und die Taxizentrale weiß, wo ein Taxi benötigt wird und schickt es dorthin. Die Vermittlung ist seit mindestens den 90er Jahren digital.

MyTaxi überraschte den Markt etwas mit der durchdachten, von Taxifahrern mitentwickelten App, andere Anbieter zogen bald nach.

Der FFTD erprobt zurzeit eine eigene Version einer Taxi-App, die aus dem Gewerbe für das Gewerbe entsteht und der myTaxi App mindestens ebenbürtig sein wird.

Ridesharing wurde schon vor bald 20 Jahren im Gewerbe diskutiert, scheiterte letztlich daran, dass von Hand gerechte Preise für die Fahrtteilnehmer zu ermitteln, schlichtweg unmöglich war. Erst bessere elektronische Helferlein machen dies nun möglich. Okay, ich gebe zu, das haben wir etwas verschlafen, aber man kann nicht immer der Beste sein.

Alle unsere Unternehmungen basieren auf dem Personenbeförderungsgesetz, das, wenn es befolgt wird und das tun die Allermeisten, sowohl den Taxifahrer als auch dessen Kunden schützt. Der Taxifahrer ist ein Dienstleister und lässt sich die Hilfestellung beim Ein- und Aussteigen und die Einkaufstüte-in-den-3.-Stock-tragen nicht extra bezahlen, entlohnt wird dafür trotzdem, mal dankbare Worte, mal ein Lächeln, mal ein kräftiger Tip. Wer, wenn nicht die Taxifahrer, bringen Tante Frieda die 500m zum Arzt, die sie selbst nicht mehr laufen kann, denn ihre Selbstständigkeit will Tante Frieda nicht aufgeben und wir sind es, die sie dabei unterstützen, ihr Leben so zu leben, wie sie es für richtig hält.

Um dies und vieles mehr zu ermöglichen schützt das Persbef.Ges. vor Wildwuchs und verbietet es Mietwagen, taxigleich in fremden Revieren zu wildern. Viele, die das schnelle Geld wittern, steigen auf Mietwagen um, große finanzstarke Brutalokapitalisten versuchen hier das dicke Geld zu machen, koste es was es wolle, zunächst auf dem Rücken und zu Lasten der Entlohnung der Fahrer, dann zu Lasten der Kundschaft. Die Preise richten sich nach Angebot, Nachfrage und äußeren Umständen. Ups, es regnet, da könnten die Straßen rutschig sein, das Gefahrenpotential erhöht sich damit um 150%, da muss der Fahrpreis natürlich angepasst werden. Der Kunde will das nicht zahlen? Dann endet die Fahrt genau jetzt und er wird im Regen stehen gelassen. Bei Glatteis können es schon 1000% sein und der Fahrpreis steigt entsprechend. Gibt es nicht, mag man denken, doch gibt es, vgl. uber in New York.

Wir alle brauchen die Rückkehrpflicht und weitere schärfere Bedingungen für Mietwagen. Das hat die Hamburger Aufsichtsbehörde schon lange erkannt. Mietwagen müssen mit Wegstreckenzählern nach dem Fiskaltaxametersystem ausgestattet werden. Mietwagen Unternehmer mit mehr als einem Fahrzeug benötigen einen Betriebssitz, nicht nur einen Platz an dem die Wagen parken, nein einen richtigen Betriebssitz, wo jede Bestellung eingehen und dokumentiert werden muss, es braucht Aufenthaltsräume und Sanitäranlagen für die Angestellten. Andere Gemeinden haben die Zusammenhänge noch längst nicht durchschaut, können (es fehlen die geistigen Möglichkeiten) oder wollen (Beamte, warum mehr arbeiten, ich bekomme mein Geld doch auch so) es nicht. Hamburgs Aufsichtsbehörde weiß, dass eine lockere Zulassung von Mietwagen in z.B. Pinneberg, die Stadt Hamburg mit Mietwagen überschwemmt, denn Mietwagen - sind sie erstmal zugelassen - dürfen überall fahren.

Die Rückkehrpflicht schützt nicht das Taxigewerbe, sie schützt uns alle vor die Straßen verstopfenden Mietwagenwildwuchs.

Nix gegen Mietwagen, es soll und muss sie geben, aber nur zu den selben fiskal-und ordnungspolitischen Regeln, wie sie für Taxen schon seit 100 Jahren gelten.

Wer gegen das Taxigewerbe wettert und für Anbieter wie uber, moia etc. die Lanze bricht, hat nichts verstanden.

Siehe Don Dahlmann in seiner Kolumne Drehmoment, in der Gründerszene, seine unverantwortliche Haltung schadet nicht nur den Taxi-Unternehmen selber, sie geht auch zulasten der gesamten Gesellschaft in den Städten. Ich zitiere ihn, nur ganz leicht abgewandelt:

Dass ihm die Kurzsichtigkeit und Lächerlichkeit seiner eigenen Argumente nicht auffällt, ist schon erstaunlich. Offenbar hat er die Entwicklung der letzten 20 Jahre komplett ignoriert. Und -

Don Dahlmann auf Gründerszene.de

Dass der Lobby die Kurzsichtigkeit und Lächerlichkeit ihres eigenen Tuns nicht auffällt, ist schon erstaunlich. Offenbar hat man die Nachrichten der letzten fünf Jahre komplett ignoriert.

Wieder einmal beweist ein “Schreiberling”, dass er absolut keine Ahnung von dem hat, worüber er schreibt. Es bereitet ihm offensichtlich große Freude mit seinem Zeigefinger auf das Taxigewerbe zu zeigen, allerdings hat er nicht bemerkt, dass dabei drei seiner Finger - sofern er noch alle hat, an Tassen scheint es ihm zu mangeln - auf ihn selbst zurück zeigen. Er hat auch nicht begriffen, dass mehr Wagen die Straßen noch mehr verstopfen und dass Navi-Fahrer außer Navi nix können, dann fahren sie, wie bei mioa dokumentiert von der verkehrten Seite in die Einbahnstraße, weil das Navi es so will.

Die Aufhebung der Rückkehrpflicht führt nicht zu einer Entlastung des Strassenverkehrs! Dazu gibt es verschiedene Studien. Es führt zu noch mehr Verkehr, noch mehr gefährlichen Situationen und einer noch größeren Belastung aller in einer Gemeinde lebenden Menschen. Durch Ridesharing und Brutalokapitalistische Methoden erreichen wir keine Entlastung im Strassenverkehr, das erreichen wir nur, wenn wir bereit sind, auf die eigene Karre zu verzichten. Bei mir in der Straße stehen Wagen wochenlang und werden nicht bewegt, brauchen diese Leute wirklich einen eignen Wagen?

O-Ton eines Fahrgastes aus Eppendorf: Wir haben zwei Autos.
F.: Warum fahren Sie dann Taxi?
A.: Weil ich, würde ich meinen Wagen nehmen, keinen Parkplatz mehr finden würde.

Ich darf das anprangern, ich verzichte schon seit 20 Jahren auf einen Privatwagen. Für Privatfahren in der Stadt bestelle ich mir ein Taxi. Mit über 90% dieser Fahrer würde ich ein Bier trinken gehen, sie sind nett, sie agieren professionell und souverän. Die 150 Km zu Oma fahre ich allerdings mit dem eigenen Taxi und rechne brav die Privatkilometer in der Steuererklärung ab. Das ist 1000 mal billiger als eine eigene Karre am Strassenrand zu parken und vergammeln zu lassen.

Wir brauchen keine Verkehrswende im Sinne von noch mehr (Miet) Autos auf den Strassen. Wir brauchen Einsicht und Verzicht. Aber wie soll man das einem Volk vermitteln, dem über 70 Jahre eingetrichtert wurde, dass das Wachstum der Automobilindustrie uns am Leben erhält?

Was können wir also tun? Ganz einfach: Unseren Job machen! Mit Freude, Respekt und Empathie.

Eine gute Arbeitsleistung spricht direkt unser Belohnungssystem im Hirn an und verschafft uns das Gefühl etwas Gutes und Richtiges getan zu haben. Davon kann man zehren und eine wenig lukrative Tour locker und ohne murren wegstecken.

Wenn wir alle das berücksichtigen, erledigen sich die negativen Schlagzeilen, Streitereien untereinander, Machogehabe, Drängeleien und Taxirennen auf den Strassen von ganz allein.

Man muss es nur wollen und nicht warten bis der andere anfängt. Bei sich anfangen! Jetzt! Sofort! Dann ist unser Gewerbe auch die nächsten 100 Jahre sicher.

Wolfgang Schild
Taximann

travis bickle