Cui bono

von Klaus Grill

3.7.`19

¯\_(ツ)_/¯

Die gestrige Entscheidung ist mit einer lapidaren Begründung gefallen und nicht wie bei der ersten Instanz, wo das Verwaltungsgericht auf 60 bzw. 41 Seiten jedes juristische Steinchen einzeln umgedreht hatte. Das Gericht erklärt auf nur 21 Seiten unter Anderem:

aus dem Beschluss des OVG

Die unternehmerischen Interessen einzelner Taxenunternehmer decken sich nicht mit der im öffentlichen Verkehrsinteresse liegenden Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes in seiner Gesamtheit.

Das ist vergleichsweise knapp und nicht so elaboriert behandelt, wie es die vorherige Instanz getan hat. Insbesondere unter Berücksichtung der Tatsache, dass nur einzelne Unternehmer klagen können und nicht z.B. Taxizentralen, von Sammelklagen ganz zu Schweigen. Wieder ist es der "einzelne Taxiunternehmer" und wieder wird ignoriert, dass hier das hamburger Taxi-Gewerbe angetreten ist.
Das Gericht erklärt zum Beschluss der ersten Instanz:

aus dem Beschluss des OVG

dass das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Antragsbefugnis einen unzutreffenden Maßstab angewendet hat und sich … aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Antragsbefugnis … herleiten lässt.


Die Begründung klingt wie aus der Feder der Moia Anwälte, das Urteil ist eindeutig und die Botschaft darin ist politisch. Angesichts der Druck-Welle, die die Autokonzerne vor sich her schieben, um einen Mobilitätsmarkt zu erobern, den es Gestern noch gar nicht gab, und angesichts der heissen Scheiße, die dieser Markt für Politiker und sogar Beamte bedeutet.
Das Taxigewerbe hat nach Ansicht der Richter die Pflicht den öffentlichen Interessen zu dienen, hat aber keine Rechte. Es kann sich auf einen Schutz des Staates, dem es dient, nicht berufen. Es bekommt erst Recht keine Rechte und keinen Schutz, wenn es der Staat selbst ist, der vertreten durch eine Behörde und auf Anweisung eines Konzerns, das Taxigewerbe angreift. Und zum Schluss sollen wir akzeptieren, dass dies der Rechtsstaat sei, von dem Sonntags manchmal die Rede ist.
Viele Kollegen fragen, wie es jetzt weiter geht. Für "Die Klage" ist hier Schluss, aber das ganze Thema ist noch lange nicht erschöpft.


Was ist der Plan?

In vielen Diskussionen geht es immer wieder um die Frage, was eigentlich der Plan ist. Warum investiert VW viele hundert Millionen Euro in neuartige Autos, Infrastruktur und Personal, um ein riesiges Verlustgeschäft aufzuziehen? Wie wollen sie sich die Kohle jemals zurück holen? Wie wollen sie schaffen, was Uber nicht gelungen ist, nämlich eigenwirtschaftlich arbeiten?
Wenn man wüsste, was die Motivation ist, dann kann man erkennen, wo der Haken für die Allgemeinheit ist, denn schließlich sind das hier die netten Leute mit dem Dieselskandal und nicht Greenpeace.
Viele verschiedene Szenarien werden diskutiert.


Mobilitätsprodukte:

Das Auto als Abo, plus Shuttle-Dienste, exklusive Parkplätze in der Innenstadt, plus fliegende Teppiche oder was immer der nächste Hype ist. Das ist ungefähr die Verkaufe der Auto-Konzerne. So ähnlich wie Matrix, nur mit Autos.

Parallelmobilität:

Aufbau einer privaten Parallelmobilität, die dem ÖPNV Kunden abjagt, bis er auf Hartz4 Niveau reduziert werden muss. Ähnlich wie eine private Krankenkasse oder eine kapitalgedeckte Altersvorsorge im Vergleich zur staatlichen Rente. Gut für Leute mit Geld, schlecht für alle anderen.

Hardware/Software verkaufen:

Den Verkehrsbetrieben (hier der HVV) die Autos verkaufen, die angeblich ein paar Hundertausend Euro das Stück kosten (man hört Zahlen von 400.000€ das Stück, inkl. Entwicklung). Plus Software z.B. Das Moia-Milgram-Navi.

Integration:

Moia in den HVV integrieren lassen und so Zugang zu staatlichen Subventionen bekommen. Zum Vergleich: Die Zuschüsse für den ÖPVN der Stadt Hamburg lagen 2013 bei 289 Millionen Euro. Wer die Zahlen von 2018 findet, kann sich daran selbst berauschen.

Product/ Market Fit

Eine andere These wäre, dass das Ziel von VW mit Moia gar nicht so konkret definiert ist. Angesichts ständiger Innovationen, deren Ungewissheit ebenso so groß ist, wie der Hype, der um sie gemacht wird - Stichwort "autonomes Fahren", das seit Jahren ganz sicher schon Morgen kommt oder vielleicht doch nie - ist es in der heutigen Zeit für ein Management vielleicht besser, sich nicht zu sehr festzulegen.
Politische Situationen sind vielleicht auch für Konzerne nicht 100%ig vorhersehbar, auch wenn man mit Bananen-Republiken bereits wertvolle Erfahrungen gemacht hat und auch in Hamburg in den Hinterzimmern nichts dem Zufall überlassen hat.
Und angesichts eines ebenso fragilen, wie für den Erfolg entscheidenden Product/Market Fit einer Sache wie Moia, die aus unvorhersehbaren Gründen von den Kunden auch abgelehnt werden kann, weil die "Innovation" vielleicht doch nicht den Nerv trifft.
Wenn man sich also nicht zu sehr festlegt, wie man mit Moia jemals Geld verdienen will, dann kann man Lösungen situationsbedingt kombinieren, je nachdem welche Optionen man sich herausgearbeitet hat.
Also das strategische Gegenstück zu Ole Harms asymetrischem Haarschnitt.


Cui bono

Uber und ähnliche Schweinereien sind im Anmarsch und es gibt Initiativen das PBeFG zu ändern, angeblich auch zum Schutz des Taxigewerbes. Wieviel ein solches rechtliches Schutz-Versprechen für das Taxigewerbe wert ist, haben wir Gestern erfahren.
Deshalb bedeutet die Initiative von SPD/ Grünen nichts anderes, als die Privatisierung des ÖPVN plus Sozialisierung der Kosten durch staatliche Zuschüsse aka Subventionen, sollte das notwendig oder möglich sein.
Das Schutzversprechen vor der Konkurrenz durch Uber, Freenow, Clevershuttle und Consorten gilt also nicht dem Taxigewerbe, sondern schlicht Moia.
Und die letzte Idee von SPD/ Grüne, Moia nach Integration in den HVV an den Stadtrand zu schicken, um Bus&Bahn in den Randgebieten aus der Patsche zu helfen, bedient andere als öffentliche Verkehrsinteressen und beleidigt jede Intelligenz, denn dafür versenkt kein Konzern hunderte Millionen Euro, wenn nicht die berühmte Millarde.
Cui bono? Wem nützt das alles?
Dem Verkehr, der durch mehr Personen/ Kilometer von mehr Autos nicht entlastet wird? Wie soll das denn gehen? Dem Bürger, der durch Steuern, Preise und Einschnitte Konzerne finanziert? Der Umwelt, die durch Elektromobilität dort belastet wird, wo man es nicht sieht?


Hinterbänkler

Was läuft hier? Wer ist zum Beispiel Dorothee Martin (SPD) und welche Kompetenzen bringt sie als ehemalige Angestellte einer amerikanischen Mietheuschrecke ein und vor allem für wen? Warum fühlen sich plötzlich Hinterbänkler aus Hamburg berufen, Einfluss auf das PBeFG zu nehmen? Ist es, weil "Mobilität" plötzlich sexy ist? Ist es, weil man sich profilieren und für höhere Aufgaben empfehlen will? Bei wem? Olaf Scholz vielleicht, der den Moia-Deal eingefädelt hat und jetzt immerhin Vize-Kanzler der BRD ist und - wer weiß - vielleicht schon bald… .
Und warum machen die Grünen das mit, warum blicken sie nich durch? Warum erkennen sie den Leim nicht, auf den ausgerechnet die Autokonzerne sie schicken? In der Initiative von SPD/ Grünen ist von fairem Wettbewerb und Sozialstandards die Rede, aber wenn man solchen Grünen, die von Moia in den Randgebieten träumen, erklärt, dass unsere Chefs unsere Löhne nicht mehr zahlen können, wenn die Konkurrenz zum Dumpingpreis fahren kann, dann reden sie sofort wieder übers Klima, weil es ihnen angenehmer ist. Brutale Wahrheiten sind nichts für flauschige Gemüter.
Und die Wahrheit ist brutal. So sieht unsere Zukunft aus.

travis bickle